Wie alles begann
Als ob es gestern gewesen wäre...
Nein, so ist es auch wieder nicht. Würde man mich fragen, was ich am 28. Juni 2015 getan habe oder wo ich gewesen bin - ich müsste passen. Erst der Blick in mein Archiv lässt die Zeit wiederauferstehen - einen Sonntag, sonnig, wie das Bild zeigt, 11:39, wie die Dateidaten zeigen. Wir haben den Sommer in Wien verbracht und ich habe mich auf eine Fototour durch Wien gemacht, abseits der üblichen Pfade wollte ich mich bewegen, "meine" Stadt mit neuen Augen sehen und dann das...
Gar nicht weit weg von daheim entdeckte ich dieses Fossil, und diese Plakette oder Platte hat es mir vom ersten Moment angetan - verschnörkelt, alt, überladen in puncto Form und Farbe, wenig zu erkennen, kurz - eine Herausforderung.
Der Nachname als WEYMELKA eindeutig identifizierbar, ANT. sollte wohl Anton heißen. Obwohl, erst kürzlich musste ich erkennen, dass sich hinter einem einsamen und einfachen "M." auch ein Methodius verstecken kann. Warum sollte also jemand sein Kind nicht Antäus genannt haben? Das griechische "I" würde schon in diese Richtung deuten, doch bleiben wir bodenständig.
Zuhause am Computer gebe ich dann WEYMELKA als Suchbegriff ein, nur um gefragt zu werden, ob ich nicht womöglich WEJMELKA meinte, was die Trefferquote keineswegs erhöhte.
ANNO, der "virtuelle Zeitungslesesaal der Österreichischen Nationalbibliothek" spuckt bei Weymelka 163 Ergebnisse aus. Es beginnt in der Wiener Zeitung vom 30. Dezember 1841 mit einem k. k. Holzrevisor Alois Weymelka, der "In der Pfarre Breitenfurth und dem dortigen Bezirke der k. k. Waldbereitung [...] in Folge der Lossagung von Neujahrswünschen pro Anno 1842 milde Beyträge an das Armen-Institut erlegt" hat. Diesen Wünschen entzieht er sich nebst Gattin auch die nächsten beiden Jahre vermittels der milden Gaben.
1844 bewegt ein Militärkapellmeister W. Weymelka das P. T. Publikum mit "interessanten" Stücken und kurz darauf hatte, vielleicht derselbe Herr, "Gelegenheit sich als tüchtigen Cellospieler zu zeigen."
1851 stiftet ein Holzversilberer für die "Erziehungs-Anstalt für verwaiste Offiziers-Töchter."
1852 entsagt sich wieder ein A. Weymelka dem Neujahrswünschen mit 30 Kronen.
Ende 1855 "exekutiert" der Kapellmeister die neuesten Stücke in Agram, und auf diese Exekutionen scheint das Agramer Publikum bis ins Frühjahr ein Abo gehabt zu haben.
Dann ist ein paar Jahre Ruhe mit Wünschen und Musik bis im Juli 1868 ein Anton Weymelka 1 fl. zur Ausgestaltung der Votivkirche spendet. Ein skurriler Fund soll hier nicht verheimlicht werden und zwar den Ober-Förster R. Weymelka betreffend, der ab dem 24. April 1884 durch die Hoff'schen Malzpräparate von "schwerer Krankheit, Asthma u. Blutwallungen glücklich geheilt" wurde. Bis April 1885 scheint sich hier ein Geschäftsmodell aufgetan zu haben, denn in verschiedenen Blättern werden diese Wundermittel großflächig beworben.
Im unglaublich ausführlich abgehandelten Mordprozess gegen Jakobine Stockhammer wird im Juni 1886 die "Lotto-Collectantin" Josefa Weymelka als Zeugin befragt.
1896 tritt ein Oberleutnant Weymelka auf den Plan, 1906 ist von einem Generalstabs-Hauptmann die Rede.
Am 25. Januar 1912 wird der "Finanzkonzipist Josef Weymelka zum Finanzvizesekretär in der bosnisch-herzegowinischen Abteilung des gemeinsamen Finanzministeriums" ernannt, zwei Jahre später ist er bereits Finanzsekretär, wenn auch "extra statum", was immer das heißt und im August 1916 ist er Finanzrat, am 19. Mai 1917 folgt das "Kriegskreuz für Zivilverdienste zweiter Klasse.
Oktober 1927 gibt es einen Major Weymelka. Bis 1949 tauchen noch verschiedene Weymelkas auf, aber eigentlich ist zu "meinem" nichts zu berichten.
Weiter geht's mit WEJMELKA, 284 Ergebnisse, welche 1867 mit einem Kuhhirten beginnen.
Der Anfang hätte sich aber auch viel einfacher gestalten können, wie an dem nächsten Exemplar zu sehen ist:
ANT. WEYMELKA
WIEN XII.
ROTHE MÜHL-GASSE N° 49
Fast sechs Wochen sollten ins Land ziehen, bis ich diesen immer geschlossenen Rollbalken (oder ist es bei einem Fenster doch eher ein Rollladen?) in der Hirschvogelgasse eines genaueren Blickes würdigte. Und siehe da - aus dem "fremden I" wurde ein "Je", wie es hierzulande heißt. Dass ich an diesem Schmuckstück in den letzten 20 Jahren sicher tausende Male vorbeigekommen bin, minderte die Freude an dem neuen Fund keineswegs. Seither versuche ich mein Motto zu leben: "Das Nahe finden, nicht das Weite suchen!"
Spannend wurde es dann vor einigen Wochen, denn da kam plötzlich Leben in das Ecklokal. Schnell kam ich mit dem Chef der Partie überein, dass er mir das untere Stück des Rollbalkens aufheben würde. Ich habe dann fast jeden Tag vorbeigeschaut, nach etwa drei Wochen traf ich ihn endlich wieder in einer Wolke aus Mörtelstaub und Presslufthammerlärm, durch den er mir verkündete, dass er mein Anliegen leider vergessen hätte. Da ich gleich ums Eck wohne, hadere ich immer noch vor allem mit dem Verlust der Platte. Die runden Schlossabdeckungen haben wir inzwischen bei einer Rettungsaktion in 1060 Wien sichergestellt.
Die nächsten beiden Bilder zeigen dafür, dass es noch viel schlimmer hätte kommen können. Ohne viel an dem Objekt rumzukletzln, gab es wenig Interpretationsspielraum - Wien konnte man erahnen, 32, und aus.
Die Haupt-Str. 22 in Wien XII konnte ich hier schon als Adresse entnehmen, so hieß vor 1905 die Meidlinger Hauptstraße.
Die Schlösser links und rechts sind rund eingefasst und mit "A. Wejmelka Wien XII" beschriftet. Diese Rundlinge sind öfter anzutreffen.
Ein gut erhaltenes Stück aus 1070 Wien, Wimbergergasse 32 mit einem Rätsel in rund.
Und hier noch ein hübscher Rundling in blau aus 1170 Wien, Wurlitzergasse 88.
30. August 2015
1090 Wien, Wiesengasse 27
Dieses farblich abgespeckte Exemplar ist der Beweis, dass ich mit meiner eingangs geäußerten Vermutung recht hatte - es ist ein "Y"! Als Anschrift lässt sich hier wieder Wien XII ausmachen, diesmal erweitert um die "Rothe Mühlgasse N° 49" - die heißt heute Rotenmühlgasse und es würde mich sehr interessieren, wann die Umbenennung erfolgt ist.
26. Oktober 2015
1180 Wien, Gentzgasse 81
Ein gänzlich anderes Modell, Adresse auch Rothe Mühlgasse, sonst kein Zugewinn.
14. November 2015
1120 Wien, Rotenmühlgasse 46, gegenüber auf Hausnummer 49, dem ehemaligen Firmensitz, steht heute ein großes Wohnhaus. Ich habe mich sehr gefreut, dass im Grätzel seines früheren Schaffens die Rollbalken und Schlösser von Wejmelka noch anzutreffen sind. Bei genauerer Betrachtung musste ich allerdings feststellen, dass ich noch ein paar Häuser weiter hätte schauen sollen, denn hier ist die Nr. 63 als Firmensitz angegeben.
Hier in 1120 Wien, Tivoligasse 44 ist ein ähnliches Schloss mit anderer Nummer zu sehen.
Und die Gaststätte der Familie Scherz erfreut außer mit Wiener Spezialitäten auch mit einem fast poliert wirkenden Schloss womöglich älteren Datums. Die dreistellige Telefonnummer mit einem Buchstaben für das Wählamt voran deutet darauf hin.